Kleine Inselchronik

Im Jahre 1327 wurde ein wangerooger Kapitän vom Sturm verschlagen und geriet in Gewalt des Grafen von Holland. Zwecks Freigabe von Schiff und Besatzung waren langwierige Verhandlungen notwendig. Hiervon erhaltene Urkunden hoben Wangerooge erstmals aus dem Dunkel der Geschichte.

“Wangeroch” hatte damals eine überörtliche Bedeutung als Marktflecken. Seine Bewohner lebten von der Viehwirtschaft und waren in der Handelskolonie der Seefischer auf Helgoland vertreten. Das Inseldorf jener Tage lag weit nordwestlich des heutigen Weststrandes. Seit Jahrhunderten wird die Stelle von der See überspült. “Letzter Zeuge” des mittelalterlichen Dorfes war die dem Schutzpatron der Seefahrer, dem hl. Nikolaus, geweihte Kirche, deren Turmruine 1595 einstürzte. In der Mitte des 16. Jahrhunderts mußten die Insulaner vor dem Flugsand und der See weichen. Sie siedelten sich unmittelbar nördlich des heutigen Westendes wieder an.

Anno 1597 ließ Graf Johann VII. von Oldenburg auf Bitten der bremer Kaufmannschaft dort für den eingestürzten St. Nikolaiturm einen markanten Turm errichten. Dieser große Signalturm, der in seinen Mauern auch einen Kirchenraum barg, diente den Seefahrern als bedeutende Landmarke beim Einsegeln in Jade, Weser und Elbe. 1624 wurde in der nördlichen Turmspitze das erste Leuchtfeuer an der deutschen Nordseeküste angezündet.

Nach dem 30-jährigen Krieg, der eigentümlicherweise der Insel eine wirtschaftliche Blütezeit gebracht hatte, verschlechterten sich die Lebensbedingungen, vor allem durch Übersanden der fruchtbaren Weiden.

Fischfang, Viehwirtschaft und Gewinn aus Strandgut spielten Ende des 18. Jh. nur noch eine untergeordnete Rolle. Die meisten Insulaner hatten sich der Frachtschiffahrt zugewandt.

Um 1800 kamen die ersten Fremden nach Wangerooge, um die Heilwirkung eines Seebades zu nutzen. 1804 stiftete die Landesherrin von Anhalt-Zerbst eine erst Badekarre und ein Zelt. Damit wurde Wangerooge Seebad.

Seit jeher hat Wangerooge das bewegte Politische Schicksal des Wangerlandes und der Herrschaft Jever geteilt. Während der Franzosenzeit und in den Jahren danach konnte sich das Badeleben nicht entfalten. Erst als sich 1819 der oldenburgische Hof seiner einzigen Insel annahm, erfuhr das Seebad einen stetigen Aufschwung und erlebte unter der Leitung der Hofrätin Westing eine Blütezeit, die durch die Neujahrsflut von 1855 ein jähes Ende fand. Die Sturmfluten der nächsten Jahre spülten viele Dünen und Häuser fort, und Flugsand deckte Weiden, Gärten und Brunnen zu.

Der größte Teil der Insulaner zog zum Festland. Wenige Familien siedelten sich 1861 beim Leuchtturm im damaligen Osten der Insel wieder an. Von 1855 bis 1871 ging die Zahl von 342 auf 87 zurück. Der ehemals in der Mitte errichtete Turm stand nun einsam am Weststrand und wurde fortan “Westturm” genannt. 1914 wurde er aus millitärischen Gründen gesprengt und 1932/33 an anderer Stelle als Wahrzeichen der Insel und zugleich als Jugendherberge wieder aufgebaut.      

Durch die besondere Lage Wangerooges wurde die Insel schon vor dem I. Weltkrieg mit schweren Geschützen bestückt. Im II. Weltkrieg war sie vorwiegend mit Flugabwehr, Funkmeß- und Jagdfliegereinheiten belegt. Im April 1945, wenige Tage vor Kriegsende, wurde Wangerooge das Ziel eines schweren Luftangriffes, dem hier über 300 Menschen zum Opfer fielen. Die meisten Häuser und Anlagen der Insel wurden durch Bomben beschädigt oder zerstört.        

Heute ist die Ferieninsel Wangerooge mit ihrem weitbekannten Familienbad Gesundbrunnen für viele Menschen aus Stadt und Land. Im Jahr 1999 fanden hier über 92.000 Gäste Ruhe, Erholung und Ferienfreude.

H.J.Jürgens